We are closed
Kroatien, Split
Ich habe ja schon in vorhergehenden Blogbeiträgen von unerwartet auftauchenden Motiven gesprochen, vom sich treiben lassen, sich dem Moment hingeben und einfach alles auf sich wirken lassen, um dann letzendlich zu seinen Motiven zu finden. Oftmals ist dafür aber neben einer ordentlichen Portion Glück vor allem eine Menge Geduld gefragt und der Wille seinem berühmten Schweinehund die Stirn zu bieten.
Ich war in Kroatien unterwegs, genauer gesagt in Split, Kroatiens zweitgrößter Stadt. Split ist wirklich sehr schön, malerisch an der Küste Dalamtiens gelegen, und definitiv einen Besuch wert.
Ich hatte mir nichts vorgenommen und wollte mich mal wieder nur so durch den Tag treiben lassen. Ihr kennt das bestimmt, ich lief zwar hochmotiviert bis in die Haarspitzen aber ohne konkreten Plan und Motivliste los. Unterschwellig hab ich aber oft eine unfassbare Erwartungshaltung im Hinterkopf, die mich alsbald ein wenig mürrisch werden lässt, wenn mir nicht nach absehbarer Zeit etwas fototaugliches vor die Kamera kommen will. Wenn ich so überhaupt nicht auf Motive und Momente treffe, die mich Verweilen lassen um ein Bild oder eine Serie zu gestalten, kann sich bei mir schon mal eine leichte Unzufriedenheit breit machen.
Frust kommt auf, denn das Bild kommt nicht
So erging es mir an diesem Tag. Es war unfassbar heiß in Split, die Luft war zum schneiden und stand in den Gassen. Zudem war die Stadt extrem voll, was das Arbeiten nicht gerade erleichterte. Mir lief der Schweiß und ich fing sogar an mich über meinen Fotorucksack zu ärgern. Gefühlt schien dieser sein Gewicht verdoppelt zu haben, und klebte mir immer mehr im Rücken. Warum hatte ich mich nicht einfach dafür entschieden nur mit der Kamera locker über der Schulter, so den Bohemian Photographer mimend, durch die Stadt zu flanieren?
Aus purer Verzweiflung und in der Hoffnung ein paar schöne Momente zu ergattern steuerte ich sogar touristische Ziele an, was natürlich in den seltensten Fällen von Erfolg gekrönt ist. Langsam kam in mir die Erkenntnis hoch, daß es eben einer dieser Tage werden würde, an denen ich viel versuche, aber es mir nicht vergönnt sein soll etwas Gutes zu fotografieren. Es war wie verhext. Pausenlos rannten Menschen durchs Bild, oder das Licht stand völlig falsch, und ich war von dem Motiv dann auch nicht so vollends überzeugt, um dann 5 oder 6 Stunden später nochmal vorbeizuschauen. Es war grundsätzlich zu heiß und überhaupt. Ich wagte noch einen Versuch abseits der gängigen Pfade.
Dann der erhoffte Twist
Plötzlich und unerwartet stehe ich auf diesem fast menschenleeren Markt. Die letzten Kaufleute schließen die Rollgitter an ihren Läden. Ein Kioskbesitzer sieht meinen fragenden Blick und sagt mir unmissverständlich mit hochgezogenen Schultern etwas auf kroatisch. Mein Blick muss daraufhin wohl noch mehr nach Fragezeichen ausgesehen haben, so daß er ein „we are closed“ hinterherschob. Dieser Satz zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht. Kurze Zeit später war der Markt komplett leer, keine Menschen mehr weit und breit.
Großartig, exakt worauf ich den Tag über gehofft hatte. Die Szenerie ungewöhnlich, das Licht absolut passend, also nicht zu grell und auch nicht zu abendlich um kitschig zu sein. Stunden zuvor musste hier bestimmt ein wahnsinniger Trubel geherrscht haben. Geschäftiges Treiben, Markthändler, die ihre Waren teils lautstark den Kunden anpriesen. Emotional geführte Gespräche mit den lieben Stammkunden über die Enkel, das Wetter, die Politik, während die anderen Kunden schon ungeduldig wartend ihren Blick über die Auslage schweifen lassen oder sich teils in das Gespräch mit einbringen. Hitzige Diskussionen über die letzten Fußballspiele und über alles was die Menschen sonst noch so bewegt.
In aller Seelenruhe
Und dann steh ich dort mittendrin, ich kann es nur noch erahnen aber nichts von alledem ist noch da. Die Atmosphäre war von einer unglaublichen Ruhe geprägt. Die Marktstände verlassen und plötzlich ohne Funktion. Die Gerüche die noch in der Luft waberten, von Fisch, gegrilltem Fleisch, matschigen Obst- und Gemüseresten, die an Sammelstellen verderbend auf die Müllabfuhr warteten. Mit unfassbarer Dankbarkeit im Herzen fing ich an mich langsam über den verlassenen Markt zu fotografieren. Ich hatte alle Zeit der Welt und konnte mir meine Motive in aller Seelenruhe aussuchen und gestalten. So entstand diese für eine Foto-Galerie vielleicht etwas ungewöhnliche Serie.
Manchmal muss man seinem inneren Schweinehund einfach den Mittelfinger zeigen und dran bleiben, einfach weitermachen. Dem Glück die Chance ermöglichen, daß sich doch noch etwas Unerwartetes und Gutes ergeben kann.
Andererseits muss man auch mal damit leben wenn es nicht passiert und sich einfach nichts Außergewöhnliches ergibt. Aber dran bleiben sollte man trotzdem!
Mein Name ist Carsten Görling, ich bin Fotograf, Landschaften und Fotokunst sind meine Leidenschaft.
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